ADHS: Alte Denkstrukturen heilen selbstständig? oder viel Lärm um Nichts

Der Hype mit dem Neurofeedback …

Als Therapeut und Trainer geht man ja mal raus und hört sich an, was kluge Menschen zu sagen haben. Das ist manchmal ein Gewinn. Manchmal ein Genuss. Und manchmal ist es nichts davon.

Zu dieser merkwürdigen Kombination kam es vor ein paar Tagen als ich bei einem wissenschaftlichen Vortrag zum Thema Neurofeedback ging. Da berichtete eine (habilitierte!) Wissenschaftlerin von ihrer Studie.

Neurofeedback ist eine EEG basierte Methode und verspricht gute Erfolge im klinischen Bereich. Die Effektstärke liegt mit 0,6 im mittleren Bereich (Gevensleben et al., 2010). Eltern und Lehrer berichten von einer Besserung der Symptome (Strehl et al., 2004).

Blöderweise wird es als Allheilmittel angepriesen. Die Ergebnisse sind allerdings nicht so eindeutig, wie man das gerne in vielen Tages-Zeitungen lesen oder im Fernsehen sehen kann. In Zeitung und TV werden immer die Fälle gezeigt, in denen die Methode unzweifelhaft durchschlagenden Erfolg hat. Die Kinder sind geheilt anschließend. „Oh, lasst uns knien, das Wunder zu preisen.“

In der Wirklichkeit sieht das häufig ganz anders aus. Wenn man die Ergebnisse der Wissenschaft zusammenfassen wollte, müsste man sagen: Es kann wirken, oder auch nicht … und wir können nicht sagen, ob und warum es wirkt (Sonuga-Barke, 2013). Seien Sie also vorsichtig damit, die Erfolgsquoten werden gerne übertrieben. Mir erzählte vor kurzem ein Kinder-Psychiater in eigener Praxis, er biete zwar auch Neurofeedback an, glaube aber nicht an irgendeinen Erfolg. Lediglich die Eltern fragten ständig danach – also macht er das auch, bevor ihm die Kundschaft laufen geht.

Mich stört hin und wieder die Aura der Heilserwartung, die die Befürworter des Neurofeedbacks herum tragen. Sehr geschickt umschreiben Sie ihre „bahnbrechenden“ Erfolge, bis auch der letzte im Publikum den Hinweis auf „Heilung“ von ADHS begriffen hat. Sie selber nehmen aus gutem Grunde den Begriff der Heilung nicht in den Mund.

Ein lieber Kollege aus einer großen Klinik sagte: „Das ist ein Prima Plazebo. Für die Eltern!“

Für mich war der Abend dann doch noch ein voller Erfolg. Ich war beruhigt. Neurofeedback würde mich als Elterntrainer nicht arbeitslos machen.

Übrigens Neurofeedback funktioniert super bei Kindern, die auch Stimulanzien nehmen, hochmotiviert sind und fleißig zu Hause üben. Also genau jene Kinder von denen man denkt, die brauchen es nicht.

Für den ADHS-Leser:

Neurofeedback funktioniert bei hochmotivierten Menschen, die eher eine „milde“ Form von ADHS haben. Ansonsten … eher nicht.

Für alle, die mehr wissen wollen

Sandra K. Loo und Russel A. Barkley: “Clinical utility of EEG in attention deficit hyperactivity disorder” in Applied neuropsychology, 2005, Seite 64-76

Gevensleben, H., Moll, G.H., Heinrich, H. (2010): „Neurofeedback-Training bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) – Effekte auf Verhaltens- und neurophysiologischer Ebene“ in Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Vol. 38 (6), Seite 409-420

Edmund J.S. Sonuga-Barke, u.a. (2013): “Nonpharmacological interventions for ADHD : systematic review and meta-analyses of randomized controlled trials of dietary and psychological treatments” in The American Journal of Psychiatry, Vol. 170,Seite 275-89.

Strehl, U., Leins, U., Danzer, N., Hinterberger, T. und Schlottke, P.F. (2004): „EEG-Feedback für Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“ in Kindheit und Entwicklung, Vol. 13 (3), Seite 180-189


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