Ab jetzt wird´s leichter …

Die Süddeutsche Zeitung schrieb am Freitag (15. Juni 2018), dass es in Zukunft leichter sein soll, ADHS-geschädigten Kindern Methylphenidat (besser bekannt als Ritalin, Equasym, Medikinet, etc.). Und man fragt sich reflexartig: „Wie? NOCH leichter!?“

Als ob es bis jetzt schwer gewesen wäre, an das Zeug heran zukommen … Auf deutschen Schulhöfen wird da gerne mal für 20 Euro auch der Nicht-ADHSler versorgt. Gerade in Zeiten entscheidender Klausuren (Abitur, 10er Abschluss), können sich Schüler etwas dopen für die Prüfung.

Es gibt immer ein paar kleinere Geschwister, die es nehmen müssen … und ob da jetzt mal eine Pille runterfällt oder verkauft wird, das merkt ja keiner.

Streng genommen unterliegt Methylphenidat dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG), d.h. der Arzt muss es verschreiben und auch kontrollieren, wie lange der Patient mit der verschriebenen Menge auskommt. Damit eben kein Schindluder getrieben wird.

Mir hat noch kein Elternteil erzählt, dass sich der behandelnde Facharzt weigerte, ein Rezept für Ritalin (oder so) auszustellen. Die meisten Eltern wollen ja gar kein Medikament für ihr Kind. Das liegt oft genug an der gesellschaftlichen Ächtung („Stellst Du etwa Dein Kind ruhig mit Pillen!?“) und dem ganzen Blödsinn, den man über die Medikamente lesen kann („Macht abhängig“ oder schrecklichste Nebenwirkungen wie Depression oder Suizidgedanken). Klar hat Methylphenidat Nebenwirkungen, aber welche Wirkung hat eine unterlassene Therapie?

Statt sich also über Medikamente zu ereifern, sollten wir lieber fordern, was eigentlich seit fast zehn Jahren Standard sein sollte: Die psychoedukative Begleitung der Familien, ggfs. Elterntraining und Verhaltenstherapie. Erst wenn diese Maßnahmen keinen oder zu geringen Erfolg haben, sollten wir zur Medikamentierung übergehen.

Leider ist bei uns in Deutschland die Diskussion pro oder contra fast nicht mehr sachlich zu führen. Das liegt sicherlich daran, dass deutlich zu viel verschrieben wird und auch zu oft zu lange. Das bedeutet aber nicht, dass es betroffenen Kindern deshalb nicht helfen kann.

Für eine bessere Versorgung bedarf es vor allem dreierlei: Information für die Eltern, Entkrampfung der Debatte und eine gute Kooperation von Behandlern, der Jugendhilfe und der Schulen.

Betroffene Eltern sollten wissen, dass sie ein Recht auf Unterstützung haben; sie können sich an das örtliche Jugendamt wenden und sich informieren, welcher Jugendhilfeträger ein Eltern-Training anbietet. – Im Zweifel muss das Jugendamt das Training auch bezahlen. Das braucht vielleicht etwas Überzeugungskraft, aber die Mühe wird sich lohnen!

Und bitte jetzt nicht anrufen oder anmailen, weil ich Ritalin NICHT für ein Teufelszeug halte.

 

Für die ADHSler:

Es wird leichter an guten Stoff zu kommen! Mühsamer ist der Weg ohne Pillen.

 

Für alle, die es genauer wissen wollen:

Storebø, O., Ramstad, E., Krogh, H., Nilausen, T., Skoog, M., und andere (2015): “Benefits and harms of methylphenidate for children and adolescents with attention deficit hyperactivity disorder (ADHD)”

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