Inklusion – auch das noch!!!

Nein, ich habe den Film nicht gesehen und ja, es kann gut sein, dass ich ihn auch nie sehen werde. In meiner Freizeit schaue ich lieber Unterhaltungskino als schwergängige Dokumentationen, die von Problemen handeln, mit denen ich mich von Berufswegen befasse.

Aber da ich in den letzten Tagen immer wieder darauf angesprochen wurde, hier nun (m)ein „letztes“ Wort dazu:

Inklusion bedeutet das gleichberechtigte Miteinander von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Geschlecht, Bildungsgrad, (Nicht-) Behinderung etc. Steht quasi so im Grundgesetz: Die Würde des Menschen in unantastbar.

Gerne wird Inklusion auf Schule beschränkt gesehen, weil da so schön augenfällig wird, was alles nicht klappt. Aber fragen Sie mal einen blinden Menschen, wie es mit der Barrierefreiheit in Deutschland bestellt ist. Oder wie oft laufen Omas mit Rollatoren auf der Straße, weil die Bürgersteige nicht abgeflacht sind und sie daher gar nicht erst raufkommen – von Rollstuhlfahrern möchte ich gar nicht reden.

Dass Inklusion in der Schule noch nicht zu 100% klappt, fällt jedem auf, der eine Schule von innen gesehen hat. Ja, es ist noch viel zu tun. Ja, es gibt Reibungsverluste. Ja, es könnte sogar sein, dass sie gelegentlich Schaden anrichtet.

Aber es ist ein Witz im Vergleich zu den Schäden, die wir den Kindern antun, wenn wir sie wohlmeinend in ein „Behinderten-Ghetto“ stecken, wo sie behütet aufwachsen können. „Behütet“ ist dann jenes Argument, das wir einem Feigenblatt gleich vor unser schlechtes Gewissen kleben, weil wir eigentlich nicht mit Behinderten, Kranken und Schwachen zusammenleben wollen. Denn die erinnern uns immer so fies daran, dass wir alle eines Tages Pflege und Hilfe benötigen werden. Also mal schön wegsperren, dann stören die nicht mehr so.

Viele Lehrer stoßen in das gleiche Horn, weil sie sich dieser Herausforderung nicht gewachsen oder dafür nicht angemessen ausgebildet fühlen. Sonderpädagogen fürchten, ihre „kuscheligen“ Sonderschulen verlassen zu müssen und in sogenannten Regel-Schulen unterzugehen. Dies alles sind berechtigte Sorgen, die gut nachvollziehbar sind.

Eltern von Kindern mit „außerordentlichem Förderbedarf“ haben Angst, dass ihr Kind nicht ausreichend gefördert wird. – Allerdings ist diese Furcht nichts im Vergleich zu der Panik, die Eltern zeigen, wenn sie hören, dass in der Klasse ihres Kindes auf einmal „Behinderte“ sind. Oh Gott!! Die Vorstellung, dass das eigene hochbegabte Kind nicht genug Gehirn-Futter bekommt, um der Nobelpreisträger zu werden, den man gerne zu Hause hätten, raubt Millionen Eltern den Schlaf. Da werden sogar Info-Abende abgehalten, um zu verhindern, dass Inklusion ausgerechnet in dieser Klasse stattfinden muss.

Und beide Seiten klagen unisono, dass Schule unfähig sei, „mein Kind richtig zu fördern“, was nach einem Pauschalurteil gegenüber Lehrern klingt.

Dabei vergessen viele, dass die meisten Schulen bereits seit Jahrzehnten Inklusion betreiben: Wir alle erinnern uns an den einen oder anderen Mitschüler, der eher merkwürdig war oder den Klassenclown gab. Heute wären das wohlmöglich „Inklusionskinder“.

Ich glaube, die Debatte um schulische Inklusion ist eine einzige Luftnummer. „Behinderung“ in all ihren Formen gehört zu unserem Leben dazu – wie Geburt und Tod. Und Inklusion ist ein Menschenrecht und kein Gnadenakt der Nichtbehinderten.

Es gibt im Leben mehr zu lernen als Algebra und französische Grammatik. – Nach der schweren Messer-Attacke auf die Kölner Oberbürgermeisterin musste sich Frau Henriette Reker auch wieder „ins Leben zurückkämpfen“ und in einem sehr persönlichen Statement hat sie sich bei einem Kölner Psychologen bedankt, den sie seit vielen Jahren kannte und der aufgrund eines Unfalls querschnittsgelähmt ist: „Ich musste an Sie denken und das gab mir Kraft, das auch zu schaffen.“

Allen Sorgen von Eltern zum Trotz, sind es gerade die behinderten und nichtbehinderten Kinder, die Inklusion wie selbstverständlich leben und die jeweils andere Seite als Bereicherung erleben.

Na bitte, Behinderung ist Fähigkeit – mal ist es die eigene, mal ist es eine für andere. So geht Inklusion. Liebe Eltern, liebe Lehrer fangt doch bitte mal an – ohne Euch von Sorgen, Ängsten und Bedenken auf den Weg zu machen.

 

P.S.: Bei der Vorführung des Films „Ich.Du. Inklusion“ in einem Kölner Kino mit anschließender Diskussion fehlten dann auch prompt die Untertitel für die Gehörgeschädigten und/oder Gebärdendolmetscher.


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