In den letzten Blog-Einträgen hatten wir ja über das Gehirn gesprochen. Und darüber, dass ADHSler so wenig Leistung zeigen können, obwohl sie eigentlich in der Lage wären, diese Leistung auch zu erbringen, sie müssen sich eben nur mehr anstrengen als der Normal-Bürger. Sie reagieren deutlich besser auf finanzielle Belohnungen (Demurie und Kollegen, 2011) als auf positive soziale Rückmeldungen. – Ein Verhalten, das sonst nur Banker und Versicherungsvertreter zeigen!
Eine wichtige Erkenntnis ist natürlich jetzt gefragt: Was kann ich als Mitmensch, Eltern, Erzieher oder Lehrerin tun, damit ich das Hirn meines ADHS-Gegenübers austrickse und ihm helfen?
Die Antwort ist so banal wie nur eben möglich: Wenn das Gehirn es nicht schafft, sich selber zu belohnen, müssen andere das übernehmen. Also die lieben Mitmenschen, damit im Gehirn des Betreffenden neuronale Bahnen gebaut werden, die etwas Ordnung ins innere und äußere Chaos bringen.
Was im Hirn der Betroffenen wenig funktioniert ist das Belohnung-System. Ein kleines Beispiel: Ihr Kardiologe, ihr Orthopäde oder Ihr Partner sagt Ihnen, sie sollten mehr Sport machen. Sie beschließen nun das Joggen anzufangen. Sie starten mit einer kleinen Runde von 5 km. Leider werden Sie das nicht schaffen, denn Sie sind untrainiert. Aber willig. Nach vier Versuchen schaffen Sie die ganze Runde in einem Rutsch durchzulaufen. Sie kommen zu Hause an, Ihr Herz rast, Ihr Kopf ist hochrot und die Zunge hängt Ihnen übers Kinn. Aber sie haben es geschafft. Ihr Körper schüttet Glückshormone aus, die sie in ein echtes „Hochgefühl“ versetzten. Sie sind so geflasht, dass Sie ihrer Nachbarin zurufen: „Ich hab´s geschafft!“ Die denkt wahrscheinlich: „Jetzt spinnt sie vollkommen und redet wirres Zeug!“ Aber Sie fühlen sich für Stunden gut. Nach zwei Tagen laufen Sie wieder – machen Sie einen Tag Pause, lassen Sie den Muskeln Zeit und genießen Sie den Muskelkater in vollen Zügen. Nun schaffen Sie die Runde, aber das „Hochgefühl“ ist nicht mehr so intensiv. Sie fühlen sich gut, aber nicht mehr so großartig wie zuvor. Wenn Sie nun regelmäßig laufen, verflacht dieses Gefühl und weicht einem guten Gefühl „etwas getan zu haben.“ Wenn Sie aber den Kick vom ersten Mal wieder haben wollen, müssen Sie sich eine Uhr kaufen, die Zeit stoppen und wenn Sie es dann unter 35 min. zum ersten Mal schaffen, dann kommen Sie nach Hause, der Kopf ist wieder rot, die Zunge hängt über´s Kinn und Sie röcheln Ihrer Nachbarin zu: „34:56“. Die versteht kein Wort, aber Ihnen ist das jetzt im Augenblick völlig egal, sie fühlen sich wieder großartig. – Bei ADHS-lern fehlt genau dieser Kick. Die können sich nicht so gut selber belohnen (vergl. Fair und Kollegen, 2010). Und nun die Frage: Wären Sie wirklich dabeigeblieben, wenn nach der ersten kompletten Runde der Kick nicht gekommen wäre? Wahrscheinlich nicht.
Für den ADHS-Leser
Am besten lassen Sie sich mit Geld zu Höchstleistungen anspornen. Zur Not geht aber auch ein ehrliches Lob!
Für alle, die mehr wissen wollen:
Demurie, E., Roeyers, H., Baeyens, D. und Sonuga-Barke, E. (2011): „Common alterations in sensitivity to type but not amount of reward in ADHD and autism spectrum disorders“ in Journal of Child Psychology and Psychiatry, Seite 1164-1173
Fair, D.A., Posner, J., Nagel, B.J., Bathula, D., Dias, T.G., Mills, K.L., Blythe, M.S., Giwa, A., Schmitt, C.F. und Nigg, J.T. (2010): „Atypical default network connectivity in youth with attention-deficit/hyperactivity disorder” in Biological Psychiatry, Seite 1084-1091